Die Liegenschaft und die Büroräumlichkeiten der AIHK an der Entfelderstrasse 11 in Aarau entsprechen nicht mehr den heutigen Anforderungen und Bedürfnissen an zeitgemässe und repräsentative Büro- und Seminarräumlichkeiten. Die Liegenschaft stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert (Baujahr 1904), der Anbau aus den Siebzigerjahren. Eine Fassadensanierung wurde letztmals 1997 durchgeführt. Der Gebäudezustand ist an verschiedenen Stellen mangelhaft. Weder die Büroinfrastruktur mit ihrer gesamten Haustechnik noch die Gebäudehülle entsprechen heutigen Standards. Aus wirtschaftlichen sowie auch aus Nachhaltigkeitsgründen hat sich der Vorstand der AIHK für einen Neubau ausgesprochen. Die gestiegenen Erwartungen an die Energieeffizienz sprechen ebenfalls eindeutig für einen Neubau.
- Projekt
- Neubau «Haus der Wirtschaft», Entfelderstrasse 11, 5000 Aarau
- Auftragsart
- Studienwettbewerb
- Planung und Ausführung
- Projektentwicklungen
- Bauherrschaft
- Aargauische Industrie- und Handelskammer (AIHK), Entfelderstrasse 11, 5000 Aarau
- Auszeichnung
- 1. Rang im Studienwettbewerb
- Videobeitrag auf YouTube
Das «Haus der Wirtschaft» bildet das Scharnier zwischen den beiden unterschiedlichen Quartieren im Norden und Süden
Städtebau
Der Neubau des Wohn- und Geschäftshaues der AIHK wurde im identischen Strassenabstand des Altbaus an die Entfelderstrasse platziert. Der schlanke Riegelbau nimmt mit seiner Breite und Ausrichtung Bezug auf die kleinteilige Gartenstadt im Norden. Mit der Höhe und Länge des Gebäudes reagiert es auf die grossmassstäblichen Bauten im Süden. Es bildet das Scharnier zwischen den beiden unterschiedlichen Quartieren. Die prominente Lage an der Strasse und die Gebäudehöhe unterstreichen die Bedeutung des "Haus der Wirtschaft" und schaffen einen attraktiven Vorbereich zur Strassenkreuzung im Osten. Der Baukörper fügt sich elegant in die heterogene Umgebung ein, ohne dabei an Eigenständigkeit zu verlieren.
Die Hart- und Grünflächen umspülen folglich grosszügig das «Haus der Wirtschaft»
Aussenräume
Die Umgebung des Neubaus teilt sich in zwei Bereiche. Der attraktive, halböffentliche Vorplatz im Süden und der erholsame, private Grünraum im Norden. Ein privater Fussweg verbindet die beiden Bereiche, wobei dieser von Passanten auch als privat wahrgenommen werden soll. Der halböffentliche Vorplatz mit Betonplatten fügt sich harmonisch in die Umgebung ein. Der Platz wirkt attraktiv und repräsentativ zugleich. Der private Aussenraum ist als ökologische Ausgleichsfläche gedacht, zur Erholung und Nutzung von Mitarbeitenden und Bewohnern des Hauses. Die Hart- und Grünflächen umspülen folglich grosszügig das «Haus der Wirtschaft», geben diesem Halt wo nötig, leiten ins durchgrünte Quartier und bilden einen verbindenden Dialog im Gesamtkontext.
Organisation
Die Organisation des Hauses folgt dem Prinzip der Stapelung. Jede Nutzungseinheit erstreckt sich über ein komplettes Geschoss. Dadurch wird eine maximale Flexibilität und gleichzeitige Trennung der Einheiten gewährleistet. Mit den unterschiedlichen Geschosshöhen wird spezifisch auf die jeweilige Nutzung eingegangen und eine Vielfalt an Raumqualitäten im ganzen Gebäude geschaffen. Das Gebäude verfügt über einen zentralen Kern, in welchem ein Erschliessungskern angegliedert ist. Dieser wird für eine autonome Erschliessung der Wohnungen genutzt und dient gleichzeitig als Fluchtweg (oder als interne Erschliessung) der Büroräume. Dem Kern ebenfalls angeschlossen ist eine Aufzugsanlage der Wandelhalle, sprich der dreigeschossigen, repräsentativen Erschliessung der AIHK Geschäftsräume. Es entsteht folglich ein Kern, der auf clevere weise zwei autonome Erschliessungen aufnehmen kann. Der Gebäudekern verläuft vom UG durchgehend bis zum 4.OG und dient somit auch als haustechnische Erschliessung und als Angliederungszone aller Nasszellen. Der Eingang zu den Räumlichkeiten der AIHK findet sich an prominenter Lage und gedeckter Form an der Hauptstrasse. Der grosszügige, gedeckte Zugang repräsentiert sich offen und verbindet Innen- und Aussenraum. Der Zugang zu den Wohnungen ist weniger prominent, aber nicht minder sichtbar, an der Längsseite angeordnet. Dadurch entsteht eine klare Trennung zwischen Wohn- und Gewerbeeinheiten.
Der Entwurf folgt dem Credo einer interdisziplinären Nachhaltigkeit. Die Architektur und der Ausdruck des Neubaus werden bestimmt von Elementen, welche aktiv und passiv den Energiehaushalt des Gebäudes beeinflussen.
Tragwerk, Fertigung und Montage
Der Neubau ist als Hybridbau konzipiert. Das Untergeschoss und der Kern sowie die Decken bestehen aus Beton. Die übrigen statischen Elemente sind dagegen aus Holz. Die Vertikallastabtragung des Holzbaus erfolgt als Skelettbauweise. Die Decken übertragen die Kräfte auf die regelmässig im Raster angeordneten Stützen. Die linearen Holzträger verlaufen vom Betonkern zu den Stützen im Fassadenbereich. Der Bereich zwischen den Trägern kann ideal für die horizontale Verteilung der Haustechnik genutzt werden. Die gewählte Skelettbauweise ermöglicht eine hohe betriebliche Flexibilität. Die ressourcenschonende Materialisierung und Tragwerkkonzeption, sowie die starke Reduzierung von Beton, erweist sich für diesen Bau, nachhaltig und wirtschaftlich. Die im Werk vorgefertigten Deckenelemente aus Beton weisen einen hohen Wiederholungs- und Fertigungsgrad auf. Dasselbe gilt für die Skelettbauweise der Tragkonstruktion. Aufgrund der klaren Konzeption kann sowohl eine zeitsparende Montage als auch eine einfache Koordination mit der Erstellung der Betonkerne erreicht werden. Dasselbe gilt auch für die nichttragenden Elemente, welche mit einem hohen Fertigungsgrad angeliefert und verbaut werden können.
Haustechnik
Der Neubau ist mit einer einfachen Haustechnik ausgestattet und wird durch LowTech-Lösungen bei der Reduktion der Kühl- und Heizleistungen unterstützt. Die konsequente Systemtrennung in Primär, Sekundär und Tertiär Struktur respektiert die jeweilige Lebensdauer der Systeme. Sämtliche Installationen werden leicht zugänglich, ausserhalb der Konstruktion und in einfach zugänglichen Steigzonen geführt, was eine einfache Nachrüstung und einen späteren Austausch der Haustechnik gewährleistet.
Wirtschaftlichkeit
Das additive Grundprinzip und die lineare Organisation des Projekts ermöglichen eine einfache Konzeption von Tragwerk, Haustechnik und Fassade, ohne die betrieblichen Abläufe zu beschränken. Der hohe Grad an möglicher Vorfertigung der Bauelemente, als auch die additive und simple Konstruktionsidee ermöglichen eine speditive und einfache Montage. Die Nachrüstung, Wartung und Erweiterung der einzelnen Bestandteile und des Gebäudes als solches, ist aufgrund der radikalen Systemtrennung und des Gebäudekonzepts gegeben. Die gewählte Tragkonstruktion ist flexibel und schonend im Umgang mit Ressourcen. Bei der Volumetrie wurde auf grosse Vor- und Rücksprünge verzichtet und Wert auf einen kompakten Entwurf gelegt. Das Gebäude verfügt somit über geringe Investitions-, Betriebs-, Unterhalts- und Instandsetzungskosten und die Möglichkeit einer etappierten Errichtung.
Nachhaltigkeit und Innovation als Entwurfsfaktor
In Anbetracht der momentanen und zukünfigen Klimaentwicklung folgt der Entwurf dem Credo einer interdisziplinären Nachhaltigkeit. Die Architektur und der Ausdruck des Neubaus werden bestimmt von Elementen, welche aktiv und passiv den Energiehaushalt des Gebäudes beeinflussen. So besteht die Fassade aus Bris Soleil-Vordächern und Stoffstoren, welche die Erscheinung des Gebäudes prägen. Die Wandhalle, welche die Bürogeschosse erschliesst und sich an der Südfassade befindet, wirkt im Winter als Wintergarten und wird mit solaren Erträgen und der Abwärme der Lüftung auf 18°C geheizt. Dadurch wirkt der Raum als Luftdämmung und erhebliche Heizenergie kann eingespart werden. Die additive Konstruktionsweise und die Verwendung eines ökologischen Holztragwerks sind äusserst effizient und ressourcenschonend und ermöglichen zudem eine maximale Flexibilität bei der Grundrissgestaltung. Trotz Klima und Innovation als Entwurfsfaktor werden die Materialiserung und Architektursprache einem repräsentativen «Haus der Wirtschaft» gerecht. Die unterschiedlichen Höhen und Nutzungen der Geschosse, die eindrückliche Wandelhalle mit der repräsentativen Treppe und diversen Lichtstimmungen machen den Entwurf räumlich einzigartig.